Dienstag, 16. November 2010

Museumsmenschen

Ich war heute mit meiner Mutter und meiner Tante im Museum, im Haus der Geschichte, um genauer zu sein. Die Ausstellung hieß "wir gegen uns" und hatte als Thema Ost- und Westdeutschland im sportgeschichtlichen Vergleich.
Mir war klar, dass das sooo aufregend nicht werden würde, ich ging aber trotzdem mit.
Da es mir heute aber an Enthusiasmus allgemein und auch an Konzentration mangelte, wurde dieser Museumsbesuch zu einer Menschenstudie.
Nicht zum ersten Mal, aber besonders heute, fiel mir auf, dass Menschen in Museen zu einer ganz anderen Spezies zu werden scheinen, den Museumsmenschen.
Sie sind anders gekleidet. Und man kann deutlich sehen, wer sich extra fürs Museum umgezogen, sich regelrecht schick gemacht hat. Das Museum ist ein Ort für Intellektuelle, für Menschen, die eigentlich schon wissen, was da alles erzählt wird. Also ziehe ich mich an wie sie, um ja meine Dummheit nicht preisgeben zu müssen. Blödsinn natürlich, denn man erkennt die Leihen sofort an schlecht sitzenden Volant-Tops, an ihren billigen Schuhen und an dem Aroma von Eifer, möglichst belesen und klug zu wirken. Letzteres strömt ihnen quasi aus den Poren. Es fehlt ihnen an Gelassenheit, an Ruhe und vor allem an tatsächlichem Interesse. Wirkliche Intellektuelle - und ich will diesen Begriff mal ganz wertungsfrei lassen - findet man in Museen nur selten, seltener sogar noch als im Alltag.
Und dann beginnt die Show. Langsam, aber fokussiert wird fast wie im Takt zu einem Lied, das nicht gespielt wird, die Brille ab- und aufgesetzt und sich nachdenklich am Kinn gekratzt. Jedesmal wenn ihnen ein Ausdruck von Überraschtheit oder gar Neugier übers Gesicht huscht, kann man Sekunden später in ihren Augen erkennen, dass sie sich tierisch dafür schämen und hoffen, dass es keiner gesehen hat.
Bewegungen werden langsam und bedacht ausgeführt, man hat Respekt vor dem Ort und der Geschichte. Selbst die einfachen Kopfhörer, auf denen man langweilige Geschichten von Zeitzeugen hört, die man aber später als faszinierend bezeichnen wird, werden mit einer Behutsamkeit angefasst, als seien sie der Busen einer schönen Frau. Das ganze Museum scheint einen Minenfeld zu sein, das aus lauter Fettnäpfchen besteht.
Man kann beobachten wie Erleichterung in ihren Gesichtern aufhellt, wenn sie es geschafft haben, heile aus der Angelegenheit rauszukommen.
Anschließend befinden wir uns im Museumscafé, wo diese Menschen oft zum ersten und letzten Mal in ihrem Leben einen Cappuccino für 6,50 Euro kaufen und sich nicht etwa über den völlig überzogenen Preis aufregen, sondern sich in ihrer Dekadenz sonnen. Warum soll man nicht zeigen, wenn es einem gut geht? Dann wird über die Ausstellung diskutiert. Man habe ja schon so viel über das Thema gelesen, es sei aber trotzdem beeindruckend wie das Museum es geschafft habe, es so anschaulich zu gestalten.
Sie werden das Gebäude verlassen mit dem Gefühl nun sehr klug und gebildet zu sein, womöglich mit dem festen Vorhaben, in Zukunft nur noch die öffentlich-rechtlichen Sender zu schauen und das Abo für die Bild-Zeitung zu kündingen. Selbstverständlich nur, um zuhause das erste Mal in Groß- und Kleinschreibung ihr heutiges Erlebnis zu twittern.

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